Corona und das Schweigen der Chöre

Chöre machen angesichts Coronapandemie derzeit eine schwere Phase durch. Weil ihr Hobby als potenziell lebensbedrohlich gilt, befinden sie sich in Wartestellung.

Dennis Schrimper | 12.06.2020

Gemeinsam singen macht glücklich – in diesen Tagen steht es aber vor allem im Verdacht, krank zu machen: Mit der Coronapandemie sind schwere Zeiten für Chöre angebrochen, die sich seit dem Lockdown zum Schweigen gezwungen sehen. Nachdem sich im März bei einer Probe in Berlin 60 von 80 Sängern mit Covid-19 angesteckt haben, gilt Singen in der Gemeinschaft als potenziell lebensbedrohlich.

Chöre in der Region haben ihre Proben deshalb bis auf Weiteres eingestellt und befinden sich nun im Wartemodus. Die Sehnsucht nach dem Gemeinschaftserlebnis ist jedoch groß. „Das fehlt auf die Dauer“, findet Martin Papenbrock, Liedervater des Männerchors Molbergen. Immerhin, so berichtet er, dürften seit vier Wochen maximal sechsköpfige Abordnungen aus den Reihen der insgesamt
24 Mitglieder an Gottesdiensten mitwirken – auf der Orgelbühne und unter Einhaltung der gängigen Abstandsregeln. Diese Auftritte würden ohne Proben absolviert.

Ungewissheit in der Wissenschaft

Doch wie groß ist die Gefahr, sich beim Singen mit dem Coronavirus anzustecken wirklich? Wie das Institut für Musikmedizin aus Freiburg in einer Risikoeinschätzung vom 19. Mai schreibt, entsteht „durch das Singen hinsichtlich der Tröpfchenübertragung bei Einhaltung eines Abstandes von zwei Metern kein erhöhtes Risiko“. Derzeit noch schwer einzuschätzen sei hingegen, „inwiefern spezifisch durch das Singen veränderte Aerosolbildung und -ausbreitung durch den Singevorgang erfolgt“. Aerosole sind Schwebeteilchen, die das Virus in der Luft verbreiten. Ungewissheit also in der Wissenschaft – und auch bei den Sängern.(…)

Viele Sänger gehören zur Risikogruppe

Problematisch ist aus Papenbrocks Sicht auch, dass zahlreiche seiner Sängerkollegen besonders gefährdet seien, weil sie altersbedingt zur Risikogruppe gehören. „Ich glaube, das gilt für viele Chöre.“ Derzeit halte man über eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe untereinander Kontakt. Gemeinschaftliche Unternehmungen abseits des Singens seien aber auch erst mal auf Eis gelegt.

Seit dem Lockdown hat sich auch der Chor „Voices“ in Nikolausdorf zu keiner Probe mehr getroffen, wie Stefanie Thölken berichtet. Ihren bisherigen Probenraum im Pfarrheim Nikolausdorf dürften die 13 bis 35 Jahre alten Sänger wegen der Coronapandemie zurzeit nicht nutzen. „Es ist noch unklar, wie es weitergeht“, so Thölken, der das Singen fehlt. „Das ist für mich das erste Mal, dass ich so lange an keiner Probe teilgenommen habe. Das ist nicht schön.“

Ohne Auftritte auch keine Proben

Problem: Die Gesangsgruppe tritt vor allem auf Hochzeiten auf – diese werden derzeit aber reihenweise abgesagt oder aufs nächste Jahr verschoben. Zwei Auftritte – im Juni und im August – seien deshalb geplatzt. Gerade solche Auftritte seien jedoch eine wichtige Einnahmequelle für den Chor, um dessen Leiterin zu bezahlen. „Die Auftritte müssen uns über Wasser halten“, so Thölken, ansonsten könnten die Proben, so diese denn wieder stattfinden dürfen, nicht finanziert werden. „Das sorgt aktuell für schlechte Stimmung“, betont Thölken. „Denn die Auftritte werden uns noch länger fehlen.“ Aktuell hofft man noch, auf einer Erstkommunion zu singen, die von April auf Ende August verlegt worden sei.

Quelle: https://www.om-online.de/om/corona-und-das-schweigen-der-chore-42755 12.06.2020

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